Raum 4: Das Ergebnis und die Folgen der Wahl

1. Nach dem eindeutig für Deutschland entschiedenen Plebiszit wurden regelmäßig Jubiläumsfeiern, wie hier in Neidenburg am 10. Juli 1921, abgehalten, um an den historischen Sieg zu erinnern. Damit wurde die deutsche Identität des Gebietes gefestigt. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 7)
2. Auf der Abstimmungsgedenkfeier in Neidenburg am 10.07.1922 zogen wieder die charakteristischen Deutschordensritter durch die Stadt. Vor ihnen laufen Germanen mit zeitgenössischem Wagner-Oper-Hörnerhelm. Es könnte sich aber auch um als barbarisch dargestellte Slawen handeln. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)

Ein Triumph für Deutschland

Die Abstimmungen  in den Bezirken Allenstein und Marienwerder fielen deutlich zu Gunsten Deutschlands aus. Dabei ist interessant, dass auch die polnische Bevölkerung teilweise für Deutschland gestimmt haben muss. Gleicht man das Ergebnis der Volkszählung von 1910 mit dem Ergebnis des Plebiszits ab, wird dies deutlich. So gaben im Bezirk Allenstein 1910 rund 50,5% als Umgangssprache Deutsch an. Als zweisprachig bezifferten sich 3,6%. Nur 13,5% gaben Polnisch als Sprache an, 32,2% hingegen Masurisch. (11) Das Ergebnis fiel mit 97% zu Gunsten Deutschlands aus. Bromberg wurde trotz deutschsprachiger Mehrheit Polen zugeschlagen und an die Provinz Posen angeschlossen. Im Kreis Marienwerder hatten 1910 37% das Polnische als ihre Umgangssprache angegeben, 62% Deutsch und 1% waren zweisprachig. Das Ergebnis fiel mit 92% Zustimmung zum Verbleib bei Deutschland aus.(12) Dennoch fielen alle Kreise westlich der Weichsel 1920 auf alliiertes Geheiß an Polen.(13)
In Oberschlesien ergab 1921 ebenfalls eine Volksabstimmung, welche ausgeglichener ausfiel als die Abstimmungen in Ost- und Westpreußen, dass eine Mehrheit von rund 60% für den Verbleib bei Deutschland stimmte. Auch dort wollte in manchen Bezirken ein Teil der polnischen Bevölkerung keinen Anschluss an den neuen polnischen Staat. So waren im Kreis Kreuzburg 1910 46,9% der Bevölkerung deutschsprachig, aber bei der Abstimmung 1921 stimmten 96,1% für den Verbleib bei Deutschland. (14) Letztlich wurde Ostoberschlesien jedoch Teil des polnischen Staates, obschon die Bezirke dort ausgeglichen abstimmten.

Die Gründe der polnischsprachigen Ostpreußen, für einen Verbleib bei Deutschland zu stimmen, waren unterschiedlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies aus Gründen nationaler Identität geschehen war. Vermutlich sehnten die Menschen sich nach Sicherheit und Frieden und wollten deshalb nicht zum instabilen, jungen Staat Polen gehören, welcher gerade Krieg gegen Sowjet-Russland führte.  (15) Allerdings hatten sie auch mit Repressionen zu rechnen, so sie sich öffentlich zur polnischen Nationaltät bekannten und sich für einen Anschluss an Polen einsetzen. Es erforderte also "tiefen (polnischen) Patriotismus und großen Mut" , sich gegen die deutsche Mehrheit zu stellen. (Zitat nach W. Wrzesiński) In Ostpreußen wurde in den Folgejahren die deutsche Indentität hochgehalten und weiterhin der geschichtsträchtigen Ereignisse des Ersten Weltkriegs gedacht. Die ethnisch polnische Bevölkerung war im Gegensatz zur dominanten deutschen Volksgruppe differenzierter, sie fühlte sich masurisch, ermländisch, also nicht homogen polnisch. Ein Großteil war von der deutschen Kultur fasziniert und assimilierte sich, dem nationalen Druck der geschlossen auftretenden deutschen Mehrheit nachgebend. Die Bewohner der Provinz, ob deutsch- oder polnischsprachig, fühlten nach den Erlebnissen des Kriegs eine gemeinsame Verbundenheit zu Deutschland. Das Leid und die Zerstörungen, welche das Gebiet durch die russische Armee erfahren hatte, wurde der (russisch-)polnischen Seite zur Last gelegt. Die finanzielle Unterstützung, die man seitens des Deutschen Reichs, unabhängig von der Ethnie, erhalten hatte, verstärkte die Bindung an die Heimat. Abschließend bleibt zu erwähnen, dass man laut dem Stimmzettel zwischen "Ostpreußen (Prusy Wschodnie)" und "Polska-Polen", nicht aber Deutschland und Polen, wählen konnte.(19) Obwohl dies für die polnischsprachige Bevölkerung sicher nicht der ausschlaggebende Grund war, gegen Polen zu stimmen, sollte dieser Umstand nicht vergessen werden. Denn die Wahl wurde auch zu Gunsten "Prusy Wschodnie" (pl. Ostpreußen) entschieden, aber später als Sieg des Deutschtums gefeiert.

3. Das Bild entstand bei einer Tagung des Deutschen Schutzbundes am 05/06.06.1922 in Marienburg. Die Schutz- und Heimatvereine setzten ihre propagandistische Arbeit fort. Ihr erklärtes Ziel war es, das Deutschtum zu festigen - was so viel hieß, wie alle polnischen Einflüsse zu unterdrücken. (Archiv der Martin-Opitz Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)
4. Die Feierlichkeiten zum Abstimmungsjubiläum 1922 mit Blick auf die Marienburg. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 7)
6. Feierliche Grundsteinlegung des Tannenbergdenkmals am 31. August 1924. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13068 Fasc. 8)
8. 30.08.1924: Paul von Hindenburg besucht Alleinstein. Um den seit seinem Sieg gegen die russische Armee 1914 als "Befreier von Ostpreußen" gefeierten General entstand ein Heldenkult. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13068 Fasc. 8)
5. Osterode Ostpreussen, Himmelfahrt 25. Mai 1922: Begrüßung Paul von Hindenburgs durch den Ostdeutschen Heimatdienst; Kreisleitung Osterode und H.V. Osterode. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13068 Fasc. 8)
7. 31.08.1924: Die Feldherren versammlen sich in Allenstein zur Grundsteinlegung des Nationaldenkmals in Hohenstein. Im Vordergrund steht Paul von Hindenburg, rechts hinter ihm General Erich von Ludendorff. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13068 Fasc. 8)
9. Postkarte "Befreier von Ostpreußen" (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek; ADGA A 10.066, Mappe 1)
10. Nachdem ein deutscher Stimmberechtigter seine Stimme in Allenstein abgegeben hatte und in seine Heimatstadt Bromberg zurückgekehrt war, die nun zu Polen gehörte und fortan Bydgoszcz heißen sollte, erhielt er einen Strafbefehl, da er wegen antipolnischer Aktivitäten aufgefallen sei. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 7)

Die Deutschen, welche das Schicksal hatten, nach dem Diktat der neuen Grenzen außerhalb der Weimarer Republik oder Österreich zu leben, als Minderheit in ihrer alten Heimat, die ihnen nun zunehmend fremd werden sollte, konnten sich nicht über den Frieden freuen. Gerade im Osten endete der Krieg nicht 1918 – die Konflikte dauerten an. Die deutschen Minderheiten sahen sich nun verstärkten Anfeindungen durch ihre Nachbarn ausgesetzt, ob im Posener Land, Westpreußen oder auch Ostoberschlesien. Vorher waren es Polen und Tschechien, welche unter deutscher Herrschaft lebten, nun hatten die Rollen sich vertauscht. Es entlud sich ein über Jahrzehnte der Unterdrückung angestauter Hass.
Allein in Polen rechneten sich 32% der Bevölkerung zu einer nationalen Minderheit, in der Tschechoslowakei sogar 37%.(16) Der so geschaffene Friede sollte nicht von Dauer sein und nach etwas mehr als einem Jahrzehnt der Klassenkämpfe und Minderheitenkonflikte schließlich den Nationalsozialisten zur Macht verhelfen.