Die Vorbereitungen der Abstimmung
Die Alliierten verkündeten, dass um den Verbleib Ostpreußens sowie einiger seit 1920 an Ostpreußen angeschloßener westpreußischer Kreise abgestimmt werden sollte. Sowohl die deutsche als auch die polnische Seite begannen, durch Kundgebungen und Propaganda um die Gunst der Bevölkerung zu buhlen. Deutschland war dabei im Vorteil, da die noch vorhandenen Strukturen für die Mobilisierung genutzt werden konnten, noch bevor die interalliierte Kommission die Verwaltung des Gebiets übernahm. Polen entsandte erst nach der Übernahme Männer und Material in das Gebiet, als der "Wahlkampf" schon im Gange war.
Die halbherzigen Bemühungen der polnischen Seite bzw. ihrer Verhandlungsführer um Ostpreußen sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass zunächst andere Ziele im Vordergrund standen. Vor allem die Gewährleistung eines Zuganges zum Meer war wichtig für das langfristige Überleben des jungen Staates, was durch die Schaffung eines polnischen Korridors bis Danzig erreicht werden sollte. Der Verbleib der dadurch von Deutschland abgetrennten Provinz Ostpreußen schien nur von geringer Bedeutung - allein die Nähe des neuen polnischen Staates sollte die nationalen Gefühle der polnischsprachigen Bevölkerungsgruppe wecken. Doch die erwünschte Wirkung blieb aus. (17)



Im Vorfeld der Volksabstimmungen warben Deutschland und Polen um die Stimmen der Bevölkerung. Hier zu sehen ist ein Aufruf des Superintendenten von Johannisburg, welcher auch an die polnischsprachige Bevölkerung gerichtet ist.
Es wird in beiden Sprachen dazu aufgerufen, polnische Agenten, welche um Unterschriften werben, der örtlichen Polizeistelle zu melden. Ferner wird auf die negativen Folgen einer Übernahme durch Polen hingewiesen. Es werden wirtschaftliche Folgen aufgezeigt, welche aus einer etwaigen Ansiedlung polnischer Handwerker resultieren würden. Die Geistlichkeit wird besonders angesprochen, mit einem Hinweis auf die Situation des evangelischen Klerus in Posen, welches zu dieser Zeit bereits polnisch besetzt war, obschon die Versailler Verhandlungen noch nicht abgeschlossen waren. Die Masuren waren evangelisch und stark religiös geprägt. Der Kaiser wurde von ihnen verehrt, da er das Oberhaupt der evangelischen Landeskirche war. Sie fühlten sich als polnischsprachige protestantische Preußen und nicht zu den katholischen Polen zugehörig. Bei der Volkszählung 1910 hatten sich 32,2% der Bevölkerung des Bezirkes Allenstein als masurisch und nur 13,5% als polnisch gesehen.(7)Im Falle einer Abtretung des Gebietes an den polnischen Staat hatten sie mit starker religiöser Repression zu rechnen.