Raum 2: Die Vorbereitung des Plebiszits

Die Vorbereitungen der Abstimmung

Die Alliierten verkündeten, dass um den Verbleib Ostpreußens sowie einiger seit 1920 an Ostpreußen angeschloßener westpreußischer Kreise abgestimmt werden sollte. Sowohl die deutsche als auch die polnische Seite begannen, durch Kundgebungen und Propaganda um die Gunst der Bevölkerung zu buhlen. Deutschland war dabei im Vorteil, da die noch vorhandenen Strukturen für die Mobilisierung genutzt werden konnten, noch bevor die interalliierte Kommission die Verwaltung des Gebiets übernahm. Polen entsandte erst nach der Übernahme Männer und Material in das Gebiet, als der "Wahlkampf" schon im Gange war.

1. Im Gebiet geborene, aber nicht mehr wohnhafte Personen wurden aufgerufen, zur Abstimmung anzureisen.
Die Mobilisierung war ein ungleicher Kampf, da Polen als junger Staat noch instabil war und auch nicht über eine so gut ausgebaute Infrastruktur wie Deutschland verfügte. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)

Die halbherzigen Bemühungen der polnischen Seite bzw. ihrer Verhandlungsführer um Ostpreußen sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass zunächst andere Ziele im Vordergrund standen. Vor allem die Gewährleistung eines Zuganges zum Meer war wichtig für das langfristige Überleben des jungen Staates, was durch die Schaffung eines  polnischen Korridors bis Danzig erreicht werden sollte. Der Verbleib der dadurch von Deutschland abgetrennten Provinz Ostpreußen schien nur von geringer Bedeutung - allein die Nähe des neuen polnischen Staates sollte die nationalen Gefühle der polnischsprachigen Bevölkerungsgruppe wecken. Doch die erwünschte Wirkung blieb aus. (17)

2. Zahlreiche Umzüge und Kundgebungen wurden von den deutschen Heimatvereinen im Vorfeld der Abstimmungen organisiert. Diese Art der Heimat- oder auch Schutzvereine, wie z. B. den "Ostdeutschen Heimatdienst" , gab es schon länger in den östlichen Provinzen Deutschlands. Ihr erklärtes Ziel war die Pflege des Deutschtums und die Germanisierung der Gebiete. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)
3. Eine Kundgebung des Ostdeutschen Heimatdienstes. Die Organisation wurde am 1. Mai 1919 mit dem Ziel gegründet, den Wahlkampf für die deutsche Seite und die Rückführung der Abstimmungsberechtigten zu koordinieren. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)
4. Der Deutsche Orden, auf dessen Land Ostpreußen enstanden war, hatte im Mittelalter gegen das Königreich Polen gekämpft. Hier sieht man als Ordensritter verkleidete Umzugsteilnehmer. Der Umzug fand am 10. Juli 1920, einen Tag vor der Abstimmung, in Allenstein statt. Die Umzüge sollten an das deutsche Erbe des Gebietes erinnern und so Deutschlands Ansprüche auf das Gebiet festigen. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 5)
5. Gedenkfeier in Marienburg: Es wurde an die Schlacht von Tannenberg von 1410 erinnert, als Ulrich von Jungingen, der Großmeister des Deutschen Ordens, im Kampf gegen das polnisch-litauische Heer gefallen war. Die siegreiche Schlacht Paul von Hindenburgs gegen die russische Armee von 1914 wurde als Tilgung der historischen Niederlage gefeiert. Später wurde der für Deutschland erfolgreichen Plebiszite gedacht. So entstand eine Konstante deutscher Geschichte, welche propagandistisch als deutscher Kampf gegen die Slawen im Osten stilisiert wurde. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13066 Fasc. 7)

Im Vorfeld der Volksabstimmungen warben Deutschland und Polen um die Stimmen der Bevölkerung. Hier zu sehen ist ein Aufruf des Superintendenten von Johannisburg, welcher auch an die polnischsprachige Bevölkerung gerichtet ist.

6. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13001 Fasc. 5)
7. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13001 Fasc. 5)

Es wird in beiden Sprachen dazu aufgerufen, polnische Agenten, welche um Unterschriften werben, der örtlichen Polizeistelle zu melden. Ferner wird auf die negativen Folgen einer Übernahme durch Polen hingewiesen. Es werden wirtschaftliche Folgen aufgezeigt, welche aus einer etwaigen Ansiedlung polnischer Handwerker resultieren würden. Die Geistlichkeit wird besonders angesprochen, mit einem Hinweis auf die Situation des evangelischen Klerus in Posen, welches zu dieser Zeit bereits polnisch besetzt war, obschon die Versailler Verhandlungen noch nicht abgeschlossen waren. Die Masuren waren evangelisch und stark religiös geprägt. Der Kaiser wurde von ihnen verehrt, da er das Oberhaupt der evangelischen Landeskirche war. Sie fühlten sich als polnischsprachige protestantische Preußen und nicht zu den katholischen Polen zugehörig. Bei der Volkszählung 1910 hatten sich 32,2% der Bevölkerung des Bezirkes Allenstein als masurisch und nur 13,5% als polnisch gesehen.(7)Im Falle einer Abtretung des Gebietes an den polnischen Staat hatten sie mit starker religiöser Repression zu rechnen.

8. Das gesellschaftliche Leben in der Region war durchdrungen vom Tannenbergmythos. (Archiv der Martin-Opitz-Bibliothek, ADMA 13068 Fasc. 8)